Das Eisenwerk in Kallich

Die erste nachgewiesene Besiedlung von Kallich erfolgte im Zusammenhang mit der Förderung von Erzen im Jahr 1579. Das Eisenwerk in Kallich entstand im 15. Jahrhundert, als die reichen Erzvorkommen entdeckt wurden und dem Gebirge den Namen Erzgebirge gaben. Die Erzlagerstätten erstreckten sich über den gesamten Gebirgszug. So entstanden in entlegenen Waldgebieten Schmelz- und Hammerhütten, die die Entstehung neuer Dorfer mit sich brachten. In Kallich wurde in damaliger Zeit ein Hammerwerk für die Herstellung von Blechen errichtet, auch eine Sensenschmiede wird erwähnt. Das Erz wurde im Ort am Platz der heutigen Kirche gefördert.

Der Dreißigjährige Krieg traf dann auch Kallich. Bereits 1619 zog die Armee von Mansfeld durch das Dorf. Ein Jahr später vernichteten Bayern große Teile des Dorfes. Den Rest besorgten die Schweden. So gab es kurz vor Ende des Krieges im Jahr 1654 im Ort nur noch 16 Häusler. Die Erzförderung war eingestellt. Im Jahr 1685 ist ein Hochofen mit Frischhütte in Natschung erwähnt. 1749 wurde das Eisenwerk aus Natschung nach Kallich verlegt und ausgebaut. Produziert wurden kleine Stahlwerkzeuge. Anfangs liefen die Geschäfte schlecht und so konnte auch das Eisenwerk die Armut, die 1770 das Erzgebirge heimsuchte, auch in Kallich nicht verhindern. Viele Menschen verhungerten, hinzu kam Typhus.

Die Entwicklung des Kallicher Eisenwerkes wurde ab 1771 forciert als Johann Alexander von Rottenhan das Eigentum an der Herrschafft Rothenhaus erwarb, zu der Kallich gehörte. Alexander von Rottenhahn und vor allem dessen Sohn Heinrich Franz von Rottenhahn nahmen sich der Eisenwerke in Kallich an, bauten sie aus und sie wurden der wichtigste Arbeitgeber in der Umgebung. Neben dem bestehenden Hochofen, der Eisengießerei und dem Eisenstein-Pochhammer errichteten sie drei neue Frischfeuer, einen Zeug- und einen Zainhammer. Hinzu kam ein Werk zur Herstellung von Nägeln. Damit lasteten sie aber auch die vorhandenen Wasserkräfte, die für die Produktion notwendig waren, voll aus. Der Graf Heinrich Franz von Rottenhahn ließ deshalb ein weiteres Werk im Tötschbachtal errichten. Er benannte das Werk und das darum entstehende kleine Dorf nach seiner Tochter Gabriela „Gabrielahütten“. Diese erbte 1809 den gesamten Besitz und führte ihn bis 1863 erfolgreich weiter.

Eisenwerk Kalek

Nach der Beendigung der napoleonischen Kriege und mit dem Eintreten des Friedens 1815 erreichte der Aufschwung Böhmen. Die Kallicher Werke werden wiederum erweitert, neue Werke, wie zum Beispiel in Schmiedeberg wurden hinzugekauft. Der Hammerverwalter Carl Weigel, geb. 1804 in Sachsen, verbessert zwischen 1824 und 1836 den Betrieb des Hochofens und der Frischhütten auf wissenschaftlicher Grundlage. Die Eisenausbringung wird von 28% auf 80% angehoben.


In „Beyträge zur neueren Geschichte des Eisenhüttenwesens“ von Eduard Vollhan [1821] steht zum Eisenwerk Kallich geschrieben:

Das Eisenwerk Kallich liegt im böhmischen Erzgebürge und beyläufig 3 bis 4 Stunden von der sächsischen Bergstadt Marienberg entfernt. Dieses werk steht unter der Leitung des Herrn Facktor Lazack, […] Es werden dort vorzüglich Magneteisensteine und Rotheisensteine verblasen und es wird das Möllerbett in folgenden Verhältnissen aufgelaufen: Magneteisendteine 476 Tonnen, Rotheisensteine 117 Tonnen, Frisschlacken 30 1/4 Tonnen, Kalk 47 Tonnen. […] Die Gicht Kohlen besteht in drey Kübeln weiche Stöcke, und 1/2 Kübel Buchenkohlen. Der Kübel hält 12 Kubickfuhs oder 4 böhmische Striche. Die Gicht Eisensteine beträgt 4 1/2 Tonnen Die Tonne hat 21 Zoll Länge, 14 Zoll Breite und 7 Zoll Höhe. In der Woche gehen durchsschnittlich 151 Gichten also 21 Gichten in 24 Stunden. Das wöchentliche Ausbringen ist  220 Zentner Roheisen […] Die Dimensionen des Hochofens sind nach Wiener Maahs folgende: Ganze Höhe des Schachtes 30 Fuhs, Höhe des Gestells 4 1/4 Fuhs, Höhe der rast 2-8 Zoll, Steigen der rast 46 Grade, Gichtöffnung 3 1/2 Fuhs, Durchmesser das Kohlensackes 7 3/4 Fuhs, Obere Gestellweite 2 Fuhs, Untere Gestellweite 1 Fuhs 3 Zoll. Zum Füllen des ganzen Ofens sind 80 Kübel Kohlen erforderlich und es müssen 14 Kübel nachgefüllt werden. Das Aufgeben geschieht in Tonnen, welche von starkem Eisendrahte geflochten sind und auf Rollwägen fortgeschoben werden. Sie sind dauerhaft und leicht beweglich. Der Formrüssel ist viereckig, und zwar 3 Zoll weit und 1 3/4 Zoll hoch. Die Kolbenfläche des hölzernen Kastengebläses hat 5 1/2 Fuhs im Gevierten und die Kasten haben 5 Fuhs Hub. Sie werden neunmahl in der Minute ausgelehrt.
Die Hämmer wiegen 2 1/2 Zentner und sind von Gusseisen. Die Hammerbahn wird bei Giehsen durch eine eingelegte Schiene von Schmiedeeisen etwas abgeschreckt, und dadurch gehärtet. […] Die Ambosse wiegen195 bis 200 tb. Sie stehen 3 Zoll tief in Schabaten, und die Schabate steht auf einer eisernen Platte. […]
Die Destillation der Holzsäure geschieht durch hölzerne Lutten, welche aufwärts führen und in verschiedenen Absätzen durch Bottige mit kaltem Wasser gefüllt gehen, um die Dämpfe zu verdichten […]
In Kallich, wird, wie gesagt, die Holzessigsäure zum Beitzen der Bleche, welche verzinnt werden sollen angewendet […] Wenn die Bleche hinlänglich gebeitzt sind, so werden sie durch eine Lauge aus 1 Theil Kalk und 3 Theilen Asche gezogen, mit Sand abgerieben, und gleich in kaltes Wasser gestellt. Hierauf wird die Verzinnung vorgenommen. […]


Im Jahr 1834 kauft die Herrschaft Rothenhaus den Sensenhammer im sächsischen Einsiedel/Rübenau und stellt ihn unter die Verwaltung des Kallicher Werkes. Er enthält ein Hammergerüst mit 3 Hämmern, 2 Feuern, ein hölzernes Balkengebläse und zwei 18 PS Wasserräder. Ebenso wurde die Straße zwischen Schmiedeberg, Preßnitz und Kallich fertiggestellt. Zum Eisenwerk Kallich gehörte inzwischen eine Erzpresse, Hochofen, eine Gießerei, ein Cupoloofen, drei Schmiedepressen, eine Stangenpresse, eine Schmiede, eine Zinnerei, ein Walzwerk und zwei Puddelöfen.

Zur weiteren Steigerung der Produktion englischer Spiegelbleche wurde 1842 ein neues Zinnhaus erbaut, 1844 folgt die Errichtung eines Essigofens, 1845/46 errichtete man ein Puddelwalzwerk. 1853 werden Hochofen und Gießerei umgebaut und erweitert, damit können dann wöchentlich 100 bis 120 Kilo Roheisen abgestochen werden.

Das ständige Anwachsen der Holzpreise erforderte eine Änderung der Befeuerung der Öfen. Es erfolgte eine Umstellung auf Torf als Feuerungsmaterial.  Dazu wurden 4 Torfstiche eröffnet, in denen in jedem Jahr 8 bis 10 Millionen Torfziegel gestochen wurden. Diese ersetzten 1100 bis 1800 Klafter [3300 bis 5400 Raummeter] Holz. Dies brachte Arbeit für 50 bis 60, im Sommer für bis zu 100 Torfstecher.

1856 beginnt man mit der Puddelstahlproduktion. Dazu muß ein Stahlhammer errichtet werden und eine Stabhütte umgerüstet, um schmiedeeiserne Gasröhren zu erzeugen.

Nach Angaben des lokalen Historikers Nikolaus von Urbanstadt gibt es 1859 im Werk Kallich einen Hochofen, dessen Gebläse von einem Wasserrad von 24 PS angetrieben wird. Einen ,Pochhammer und ein Stempelpochwerk bewegen ein Puddelwalzwerk, ein Grobeisen- und ein Feineisenwalzwerk sowie ein Schneidwerk, 2 Scheren, eine Kreissäge und eine Kesselpumpe. Zwei Dampfhämmer mit einem Hammergewicht von 11 und 35 Zentner werden vom Dampf dreier 6 Meter hoher, stehender Kessel angetrieben. Ein Wasserrad von 11 PS treibt einen Puddelofen zur Rohstahlerzeugung, 4 Holzdörröfen und ein eisernes Zylindergebläse an. Die Maschinen der mechanischen Werkstatt werden von einem 11 PS starken Wasserrad angetrieben, zwei Wasserräder von je 10 PS bewegen die in einem Gebäude enthalteten 5 Schwanzhämmer, den Zeughammer, den Stahlhammer und den Stabhammer. In der Rohrzieherei erfolgt der Antieb durch ein 14 PS Wasserrad. 1

In dieser Hochzeit des Kallicher Eisenwerkes betrug die Einwohnerzahl des Ortes ca. 915 Personen. Davon beschäftigte das Eisenwerk 14 Personen als Meister und 156 Arbeiter. Weitere ca. 200 Personen fanden in der direkten Zulieferindustrie ihr Auskommen. Um die geringen Erzvorkommen von Kallich auszugleichen und das Werk auszulasten wurde in den Wintermonaten von ca. 60 bis 80 Fuhrleuten Eisenerz aus Preßnitz und Orpus herangschafft. Lebensmittel wurden von der Obrigkeit zur Verfügung gestellt, das Korn wurde in der Herrenmühle gemahlen und die Eisenwerke hatten eine eigene Bäckerei. Kalek hatte zu diesem Zeitpunkt annähernd 92 Wohnhäuser und neben der Kirche, der Pfarrei und dem Forsthaus, Ausflugslokale, 2 weitere Gaststätten, 4 Mühlen, eine Zollstation und einen ertragreichen Kalkbruch.

Im Jahr 1863 verstarb die Gräfin Gabriela Buquoy und der gesamte Besitz fiel an deren Tochter Isabella, 1867 dann an ihre Enkelin Gabriela Hohenlohe-Langenburg. Ab dieser Zeit begann auch der Existenzkampf der Eisenwerke in Kallich. Die Produktion sank ob derveralteten Herstellungsverfahren und Einrichtungen. Zwar wurde immer wieder versucht, die Produktion wieder aufzunehmen, aber die langen Transportwege, der einbrechende Preis und die starke Konkurrenz der Werke in Kladno und Ostrau machten diese Bemühungen zunichte. 1871 verkaufte die Herrschaft Rothenhaus die Kallicher Eisenwerke an die „Erzgebirgische Eisen- und Stahlwerksgesellschaft“. Der neue Eigner stellte trotz vorgenommener Modernisierungen 1874 die Produktion ein. Zwei Jahre später gründeten Karl Engelhardt und Ernst Morgenstern aus Rübenau sowie Ihl und Hahn aus Natschung eine Aktiengesellschaft und erwarben das Werk um 46.000 Gulden. Sie legten das Werk 1882 wegen Erfolglosigkeit erneut still und verkauften es an die Fa. Bondy’s Söhne in Prag. Die Anlagen wurden demontiert und abtransportiert. Noch 1882 kauft F.A. Lange, Besitzer des Grüntaler Kupferhammers die restlichen Anlagen und errichtet ein Kupfer- und Messingwalzwerk. dessen Sohn wollte es 1885 wegen der ungünstigen Verkehrslage wieder auflösen. Der bisherige Direktor des Werkes Paul Netto entschloß sich dieses in Eigenregie zu übernehmen und produzierte unter Beibehaltung des Firmennamens F.A. Lange emaillierte Töpfe. Nach größeren Umbauten verließen schon im November 1885 die ersten Töpfe das Werk. Es bot 120 Arbeitern Beschäftigung, es gab eine Betriebskrankenkasse. Absatzgebiete waren Österreich-Ungarn, Rumänien, Russland, Spanien, Afrika und Indien. Im Jahr 1914 wurde die Produktion abermals wegen der schlechten Verkehrsanbindung geschlossen.

Eduard Fristch kaufte um 1920 das Anwesen und produzierte von 1922 bis 1924 Pinsel und Bürsten, 1924 richtete er eine Holzwarenfabrik ein, die später von seinen Söhnen Walter und Franz weiter geführt wurde.

Archivmaterial zum Eisenwerk Kallich findet sich in der deutschen Digitalen Bibliothek
https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/3TRZ3YMVKR5BNMJWDQKBG4ELO5JHNUYV


Quellen:

1. Kempf, Josef: „Das Eisenwerk in Kallich“,  2013; SignaturXVI 3990 Sammlung Montanportal Artikel und Abhandlungen (zitierte Teile gekennzeichnet)

2. Wikipedia Kallich [Stand 26.06.2018]

3. Vollhan, Eduard: „Beyträge zur neueren Geschichte des Eisenhüttenwesens“, 1821