Der Hochofen im Töltschbachtal

Der ehemalige kleine Ort Gabrielahütten entstand in Folge der Gründung eines Eisenwerkes hier im Tal des Töltschbaches. Die Wahl dieses Standortes zu seiner Errichtung, neben dem bestehenden und bereits ausgelasteten Werk in Kallich, das eine Erweiterung we-gen unzureichender Wasserkräfte nicht zuließ, fiel nicht zufällig auf das Töltschbachtal. Hier erfüllten sich alle Voraussetzungen dafür, wie das Vorkommen von Eisenerz, die Wasserkraft des Töltschbaches und für Kohlholz die Buchenbestände an den Talhängen. Wie aus einer alten Karte aus dem 17. Jahrhundert hervorgeht, bestand bereits im oberen Teil des Tales, an der im 19. Jahrhundert erbauten Thunstrasse, eine Eisenzeche („Scheferzeche”) sowie ein „Lohn- bzw. Anweishaus”. (Jahre später kam es hier zur Errichtung einer Brettmühle, deren Standort noch jetzt durch Konturen des Wasserzuführungsgrabens zu lokalisieren ist und die Flur in der Forstwirtschaft den Namen „Brettmühlwiese” hatte. 1940 wurde an diesem Ort ein Kriegsgefangenenlager errichtet). Vermutlich wurden um diese Zeit die Erze (Roteisenstein) von hier im Hochofen in Kallich oder schon vorher in Natschung verhüttet. Ein Eintrag über den Erwerb von „Stockraum” durch Christoph von Carlowitz lässt auf die Zeit des Geschehens schließen. So geht aus der Geschichte von Rothenhaus (Červený Hradek) hervor, dass dieser Herr von 1554 bis 1576 Besitzer die-ser Herrschaft war und sich besonders dem Bergbau verschrieben hatte. Graf Heinrich von Rottenhan, Besitzer der Herrschaft Rothenhaus (1777 bis 1809), nutzte hier in diesem Tal die günstigen Voraussetzungen zur Verwirklichung seines Vorhabens.

In den Jahren 1778/79 kam es im unteren letzten Drittel des etwa acht Kilometer langen Tales und dem späteren Ortsausgang von Gabrielahütten in Richtung Kallich, mit dem Bau von Hochofen mit Gießerei und Pochhaus, zur Entstehung des Eisenwerkes Gabrielahütten.

Nach mündlichen Überlieferungen soll der Hochofen von einem Bruder des Tiroler Freiheitskämpfers Andreas Hofer gebaut worden sein. Aus den bis 1945 noch vorhandenen Überresten dieses Objekts und den von Ing. Hans Fischer in „Heimatkunde des Bezirkes Komotau” 1934, beschriebenen Bemerkungen über die Hochöfen in Kallich und Gabrielahütten lässt sich daraus schließen, dass der Hochofen in Gabrielahütten die in der Skizze angegebene Form und Größe besaß.

Seine Höhe betrug 32 Fuß (1 Fuß = 12 Zoll = 316 mm). Der Anbau auf der rechten Seite enthielt zwei Kastengebläse, die von der Nockenwelle eines Wasserrades in Bewegung gesetzt wurden. Das Aufschlagwasser brachte der Abfluss von der Mahlmühle und der Brettmühle. Inwiefern auch das Stempelpochwerk zur Zerkleinerung der Erze und der Schlacke hier stand und von diesem Wasserrad angetrieben wurde, kann nicht sicher bestätigt werden. Sehr wahrscheinlich befand sich die Gießerei im linken Nebengebäude. Im Hochofen kamen die Erze (Roteisenstein und Toneisenstein) aus den Zechen in Gabrielahütten, vor allem aus der Heinrichfundgrube im Stei-gerwinkel und der Freudenzeche am Zechenberg sowie aus der Wenzelzeche bei Brandau zur Verhüttung.

Als Brennmaterial diente vorwiegend Holzkohle. Der Antransport des Kohlholzes zu den nahe gelegenen Meilern erfolgte durch Flößen, weshalb der Töltschbach in alten Karten auch als Flößbach bezeichnet wurde. Ein Flößplatz befand sich am Ortsausgang nach Kallich. Zuletzt eine Wiese, die von den Einwohnern „Flietz” genannt wurde. Der Hochofen wurde täglich zweimal abgestochen und lieferte damit etwa 90 bis 100 Zentner Roheisen wöchentlich, das dann in den Hammerhütten durch die Reduzierung seines Kohlenstoffgehaltes („Frischen”) zum Teil zu Stahl veredelt wurde.

1817 wurde er aufgelassen und in einen Holzverkohlungsofen (Essigofen) von dem im Ort wohnenden Hüttenmeister Bergingenieur und Oberfi chdirektor Karl Michael Balling umgerüstet. Die Wasserkraftanlage samt Blasebälge wurden abgebaut. Im Hochofen wurde vor allem Buchenholz zur Verkohlung eingebracht. Damit verbesserte sich die Holzkohleerzeugung gegenüber Meilern im Verhältnis 5:30. Der dabei als Nebenprodukt anfallende Holzessig wurde zum Beizen der Weißbleche verwendet und ersetzte den Ankauf teurer Kernbeize. Bei langsamer Erhitzung wurde das Destillationsprodukt durch ein Röhrensystem im Gegenstromprinzip zur Abkühlung und Kondensation gebracht. Aus 100 kg Buchenholz entstanden 34,3 kg Holzkohle und neben einigen weiteren Nebenprodukten wie Karbolineum (Teer), Holzgase, Wasser und Methanol, 6,7 kg Holzessig. Dieses Produkt wurde in der hiesigen Blechverzinnungsanstalt, („Zinnhaus”, Ortsl. Nr. 3, unterhalb des Forsthauses) zum Beizen der Bleche verwendet. Das nach dem Beizen zurückgebliebene Eisenoxyd (Schwarzbeize) wurde zur Erzeugung einer schwarzen Farbe in den Kattundruckereien und Färbereien in den Handel gebracht.

Hier in Gabrielahütten wurde die gesamte Eisenproduktion zu Blechen verarbeitet (Gründung von Blechwalzwerken 1835 und 1839). Der Essigofen war bis 1844 im Einsatz. Wegen der zunehmenden Teuerung und dem Mangel an Buchenholz wurde er schließlich stillgelegt. In diesen Jahren der Blütezeit des Eisenwerkes Gabrielahütten deutete sich, wegen der aufkommenden Konkurrenz im Inneren Böhmens, sein späterer Niedergang an.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam das gesamte Anwesen mit den Anlagen zum Verkauf an eine Privatperson (Name ist nicht bekannt). Zu dieser Zeit wurde der linke Anbau am Hochofen von einer Familie namens Frank bewohnt. In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts erwarb das Grundstück mit seinen Anlagen Josef Pietsch. Das Haus mit der Pensionistenwohnung (Ortsl. Nr.: 14) wurde umgebaut, wobei der Hochofen als Baumaterial zum Abriss kam und sein linkes Nebengebäude als Stall genutzt wurde. Neben der Familie Josef Pietsch wohnte hier seit 1923 die Familie Josef Kempf bis zur Vertreibung 1946. Heute ist von alldem nichts mehr vorhanden und der ortsunkundige Wanderer kann sich nur schwer vorstellen, dass hier ein Dorf bestand, dem ein bedeutendes Eisenwerk im Kreis Komotau vorausging.Geblieben ist das Gluckern und Murmeln des Töltschbaches im romantischen Töltschbachtal. Nur noch einige blaue Schlackenziegel am Wegesrand und ein paar kaum noch erkennbare Mauerreste las-sen vermuten, dass hier in früherer Zeit ein Industriestandort war, in dem bis 1946 im existierenden Ort Gabrielahütten ein pulsierendes Leben florierte. Das gesamte Gebiet mit und um den Zechenberg (Duln vrch) ist mit 64 Hektar im Oktober 2000 zum Naturschutzpark Buky a javory v Gabrielce (Buchen und Ahorn um Gabrielahütten) erklärt worden.

geschrieben von Josef Kempf


Quelle:

Amtsblatt der Stadt Olbernhaus 04 / 2013 [Stand 15.11.2022