Die Brücke von Kienhaid nach Kühnhaide

Als die Brücke gebaut wurde, war auch die böhmische Seite noch bewohnt. Keinen Kilometer entfernt lag das Dörfchen Kienhaid, benannt nach dem sächsischen Nachbarort und deutlich später gegründet. Die heutige Brücke aus dem Jahr 1932 war sicher nicht die erste an dieser Stelle. „Sicher wurde sie von der Herrschaft gebaut, der das Gebiet gehörte“, sagt der Historiker Petr Karlicek. Wahrscheinlich querten Pendler aus Böhmen, die in Sachsen arbeiteten, die Brücke oder Protestanten aus dem überwiegend katholischen Böhmen auf dem Weg zur Kirche in Kühnhaid. Der Grenzübertritt war problemlos, sprachen die Menschen auf beiden Seiten der Grenze Deutsch.

Erst als die Deutschen nach 1945 aus der Tschechoslowakei vertrieben wurden, verwandelte sich die Schwarze Pockau in eine echte Grenze. „Allgemein gilt, dass die Tschechoslowakei an solchen Grenzübergängen kein Interesse mehr hatte. Vor allem ab 1948 nach der Machtübernahme der Kommunisten wurde die Grenze scharf bewacht“, weiß Historiker Karlicek. An der Grenze zweier sozialistischer Bruderstaaten wurde Stacheldraht installiert. Es patrouillierten Streifen. Die Angst vor einer Rückkehr der auch nach Sachsen abgeschobenen Sudetendeutschen war größer als das Vertrauen in den sozialistischen Partner. Grenzorte wie Kienhaid wurden geschleift. „Das kommunistische Regime interessierte sich nur für Brücken, die gebraucht wurden, zum Beispiel für den Holzhandel von der CSSR in die DDR oder bei der Zusammenarbeit der Feuerwehren“, sagt Karlicek.

Das änderte sich erst wieder nach 1989. Alte Wege wurden wieder entdeckt. Doch die Schatten der Vergangenheit sind immer noch zu sehen, wie an der geteilten Brücke in Kühnhaide.

Die Brücke ist 2018 ins Zentrum der medialen Aufmerksamkeit gerückt. Die Brücke ist eine Grenzbrücke. Dazu braucht es keine Grenzschilder, man sieht es der Brücke auch so an. Sie wurde vor saniert, allerdings nur auf der deutschen Seite. Stolz prangt das Jahr 2018 im Putz. Ab der Mitte fängt es aber an zu bröckeln. Die Sanierung endet direkt an der Grenze. Ein einzigartiges Kuriosum, das zumindest von der Stadt Marienberg, zu der Kühnhaide gehört, nicht gewollt war. Die musste dringend sanieren, denn das Hochwasser von 2013 hatte die Widerlager unterspült und die Brücke drohte einzustürzen.

„Wir haben die tschechischen Behörden vorab informiert, aber der Landkreis Usti hat eine Sanierung auf seiner Seite abgelehnt“, heißt es aus dem Rathaus von Marienberg. Und für die ganze Brücke versagten die Geldgeber die Mittel. Die halbe Sanierung für 100000 Euro wurde komplett von Bund und Freistaat bezahlt. Warum sich Usti verweigerte, kann Oberbürgermeister André Heinrich nur spekulieren: kein Geld, andere Prioritäten? Die Antwort aus Usti kommt prompt: „Die Brücke gehört uns nicht. Wir können deshalb kein Geld für eine Sanierung ausgeben“, sagt Sprecherin Magdalena Frankova. Wem aber gehört sie dann?

Die Suche gleicht dem Weg durch einen Irrgarten und je mehr man fragt, desto stärker drängt sich der Eindruck auf, dass die Brücke für Tschechien gar nicht existiert. Alle winken ab und schieben die Verantwortung von sich. „Was für eine Brücke, wo?“ fragt Tomas Nedved ins Telefon. Nedved ist Bürgermeister von Kalek (Kallich), dem nächsten Ort auf tschechischer Seite, der allerdings über fünf Kilometer entfernt liegt. Denn direkt hinter der Brücke befindet sich erst einmal nur Wald, das ehemalige Kienhaid. Ein Schild sagt, dass hier ein Naturreservat beginnt. Irgendeine Brücke, die ins Nichts führt, interessiert bei den Tschechen herzlich wenig. Nedved ist mit dieser Ansicht nicht allein. Wenn jemand die Brücke quert, dann sind es vor allem deutsche und ausländische Touristen zu Fuß oder mit dem Rad und im Winter auf Skiern.

„Das ist unser Gemeindegebiet“, kommt Bürgermeister Nedved langsam zu den Fakten, aber die Brücke? „Nein, die gehört uns nicht. Wir haben damit nichts zu tun. Das ist ein Forstweg, fragen Sie mal beim Staatsforst.“

„Ja, der Weg gehört uns“, bestätigt Ondrej Kopecky vom Staatsforst, der hier die Wälder bewirtschaftet. Aber die Brücke? „Nein, die gehört uns nicht. Ich würde ja beim Flussbetrieb Ohre (Eger) fragen?“.Aber auch dort gibt es eine Absage. Sie seien nur für Bach und Bachbett verantwortlich, heißt es aus der staatlichen Behörde. Da auch das Katasteramt nicht weiterhilft, scheint es direkt an der Grenze tatsächlich immer noch eine herrenlose halbe Brücke zu geben.


Quelle:

Landesecho, Zeitschrift der Deutschen in der Tschechischen Republik [Stand 17.11.2022, leicht gekützt]